Sprachwissenschaft studieren... | Who
and/or what could be less glamorous than a pedantic old rule-happy
grammarian? An English grammarian at that? The truth of matter is,
however, that glamour and grammar are in origin one and the same
word. |
Grund 9: Grammatik - eine besondere Art des Rätsellösens
Viele kennen Grammatik nur aus quälenden Schulstunden,
in denen einige Benennungen eingeführt wurden, deren Sinn nicht deutlich
wurde und deren Logik fraglich war. Ein Adjektiv wurde z.B. als Wiewort erklärt,
mit der Frage Wie ist etwas? Also: Wie hat
sie die Flasche geöffnet? - Mit dem Korkenzieher/ damit/ irgendwie/
so/ indem sie ihre Zähne benutzt hat... Wie groß ist der Hund?
- Er ist sehr groß. Alles, was wir hier eingesetzt haben,
ist jedenfalls kein Adjektiv. Adjektive charakterisieren, was in seiner Art
oder Identität schon durch ein Nomen bestimmt wurde (eifrige
Lehrer), man fragt also nach der Eigenschaft oder Was
für ein x ist das? Und kommt zu Ausdrücken wie eifrig,
gut, schnell, witzig. Die stehen im Deutschen vor dem Nomen
und sind in ihrer Form außenbestimmt (kleiner
Junge, der kleine Junge; kleines Mädchen, ein kleines Mädchen, das kleine
Mädchen). Viele kann man steigern (die
schönste Grammatik), aber nicht alle (die
schwangerste Frau).
Ansonsten kennen wir Grammatik als eine Art, Sprechern vorzuschreiben, wie
sie reden sollen. Das alles sehen Sprachwissenschaftler nicht als ihre Aufgabe
an.
Eine vernünftige Grammatik stellt den Zusammenhang von Form und Funktion
(in der Kommunikation) dar. Was kann man mit Adjektiven tun und inwiefern erlaubt
ihre Form dies?
Grammatische Phänomene zu verstehen und vor allem
zu erklären, ist reizvoll. Woher wissen wir z.B. dass der Satz
Sie streicht das Haus rot.
so gemeint ist, dass die Außenwände am Ende (hoffentlich) rot sind? Wieviele Subjekte hat der Satz
Es kam ein Pferd herein.
Oder worin besteht die Mehrdeutigkeit des folgenden Satzes und wie ist sie grammatisch erklärbar:
Der Flüchtling kam sicher über die Grenze.
Unsere Rede ist immer an die Situation gebunden, in der wir sprechen. Sogar wer mit ich oder was mit hier gemeint ist, steht nicht fest:
In Emmendingen in Baden schrieb ein kleines Mädchen auf einen Zettel den Satz "Ich bin eine Hexe". Der Zettel flog durchs offene Fenster und blieb auf der Hauptstraße liegen. Dort fand ihn ein Mann, Johann Schießer, der ihn der Lehrerin Claudia Steiger auf den Mantel heftete. Die Lehrerin bemerkte den Zettel nicht eher, als bis sie zu Hause ihren Mantel auf den Kleiderhaken hängte. (n. Angelika Kratzer)
Hier ist es lauter als hier.
Das kleine Wörtchen auch beherrschen wir doch auch - oder? In der ZEIT (20.3.2002) konnte man die fette Überschrift lesen:
Der Tourismus kann auch in schlechten Zeiten Schönwetter machen.
Was besagt denn nun dieser Satz? Er kann ganz unterschiedlich gewichtet sein. Dafür haben wir mündlich den Akzent und folgende Möglichkeiten (die betonte Silbe ist fett markiert, Sie können sich die Sätze aber auch als Mp3-Datei anhören):
A: Der Tourismus kann auch in schlechten Zeiten Schönwetter machen. B: Der Tourismus kann auch in schlechten Zeiten Schönwetter machen.
In beiden Fällen sorgt auch dafür, dass ein Gedanke, der
schon da war oder mitgedacht werden kann, einbezogen wird. Im Fall A ist das
der Gedanke 'x kann in schlechten Zeiten Schönwetter machen', wobei x
z.B. die Landwirtschaft oder die Rüstungsindustrie sein könnte. Im
Fall B wird der Gedanke 'Der Tourismus kann in Zeiten, die nicht schlecht sind,
Schönwetter machen' herangezogen. Wir müssen also wissen, was auch bedeutet,
wo die Hauptbetonung liegt oder liegen würde und der Gewichtungspunkt ist.
Dem auch liegt eine bestimmte Einschätzung des Sprechers voraus,
die sich auf die Vergleichbarkeit von zwei unterschiedlichen Sachverhalten
erstreckt. Im Fall B sind es die schlechten Zeiten, denen gedanklich
andere gegenübergestellt werden. Im Fall A ist es die Zuordnung zwischen
Subjekt (der Tourismus) und Prädikat
(kann....Schönwetter machen).
Sie sehen, das kleine Wörtchen auch leistet
eine ganze Menge, wir müssen aber auch etwas von der sprachlichen Struktur
verstehen, um eine Erklärung formulieren zu können. Darüber
denken wir normalerweise gar nicht nach. Wir können es, wenn wir Deutsch
können, aber verstehen wir es und wie würden wir es erklären?
Was ändert sich, wenn wir eine andere Partikel einsetzen?
C: Der Tourismus kann doch in schlechten Zeiten Schönwetter machen.
D: Der Tourismus kann ja in schlechten Zeiten Schönwetter machen.
E: Der Tourismus kann halt in schlechten Zeiten Schönwetter machen.
Über solche Probleme also denken Grammatiker nächtelang nach. Sie erfreuen sich aber auch am Blick auf die Sprachen der Welt.
Aufgabe: |
qoril 'er sieht uns' | tiqil 'wir sehen euch' |
kiril 'er sieht sie' | kiqil 'wir sehen sie' |
tiwil 'ich sehe euch' | qokil 'sie sehen uns' |
kiwil 'ich sehe sie' | tikil 'sie sehen euch' |
Übersetzen Sie doch mal 'er sieht euch' ins Pocomchi! Lösungen der Aufgaben finden Sie hier.
Der folgende Witz beruht darauf, dass der erste Satz unterschiedlich aufzubauen ist:
Policeman | Excuse me, Sir, your dog's been chasing a man on a bicycle. |
Man | Ridiculous, constable, my dog can't ride a bicycle. |
Zur Grammatik gehört auch die Wortbildung. Auf die bezieht sich der folgende Linguistenwitz:
Ein Igel trifft einen Wolfshund. "Was bist du denn für ein Tier?" "Ein Wolfshund." - "Ein Wolfshund?" - "Ja, mein Vater war ein Wolf, meine Mutter eine Hündin." "Ach so", sagte der Igel und ging weiter. Dann traf er ein anderes Tier: "Was bist du denn für einer?" - "Ich bin ein Ameisenbär." Der Igel überlegte eine Weile. Dann sagte er: "Das glaub ich dir nicht."
Eine umfassende wissenschaftliche Grammatik, die erstmals wirklich funktional angelegt ist und auch z.B. die Grammatik des Gesprächs behandelt, ist
Eine neuere Grammatik, die eine funktionale Grundlegung für das Deutsche bietet, ist:
Empfehlenswert im Netz ist die Internetgrammatik GRAMMIS des Instituts für Deutsche Sprache Mannheim. Mehr zum Deutschen gibts hier, zu den deutschen Wortarten hier und hier:
L. Hoffmann (Hg.) (2007/2009) Handbuch der deutschen Wortarten. Berlin/New York: de Gruyter
Über Grammatik erfährt man viel durch den Vergleich von Sprachen. Betrachten Sie doch mal Englisch durch die deutsche Brille. Eine gute und angenehm lesbare Führung bietet Judith Macheiner (2001) Englische Grüße. Frankfurt: Eichborn Verlag.
I was walking across campus with a friend and we came upon half a dozen theoretical linguists committing unprovoked physical assault on a defenseless prescriptivist. My friend was shocked. She said: "Aren't you going to help?"
I said, "No; six should be enough." (Geoffrey Pullum posted this joke)