"Die Sprache um ein Wort ärmer machen heißt das Denken der Nation um einen Begriff ärmer machen." (Arthur Schopenhauer)

 

 

Kleines ABC:  Migration & Mehrsprachigkeit

 

Wörter

 

 


 

Warum Wörter wichtig sind
Welche Wörter wir benutzen, ist nicht gleichgültig. Ausdrücke wie Deutscher, Fundamentalist, Migration, türkischstämmig, islamistisch, sich integrieren, tödliche Toleranz gehören zu den sensiblen Bereichen der Zuwanderung und des gesellschaftlichen Zusammenlebens. Solche Nomen, Adjektive, Verben kennzeichnen unsere Verarbeitung der Welt. Sie stecken einen Bereich ab, in dem wir etwas sagen können, sie bestimmen durch ihre Existenz und ihre Bedeutung, was zu sagen ist. Indem wir sie haben und nutzen, beeinflussen sie wie wir etwas im Wissen verarbeiten.

Die Grenzen symbolischer Wörter sind locker gestrickt. Wann ist etwas noch blau oder schon grau? Kleine Kinder haben hier typischerweise Probleme - sie müssen lernen, wo in etwa die Grenzen sind.
Wörter sind durchlässig für neue Erfahrungen. Das Neue lässt sich erst einmal nur mit den alten Mittel ausdrücken. Wir überdehnen Bedeutungen, greifen zu Bildern und Metaphern.
Das Feld charakterisiert eigentlich etwas flach Ausgebreitetes, dann eine flache Bodenfläche. Die konnte bearbeitet werden von Bauern, so kam es zu einer Bedeutung ähnlich der von Acker. Auf dem Feld konnte man auch kämpfen, es entstand durch Verbindung mit einem Bestimmungswort das Schlachtfeld, dem man in der Feldflucht versuchen konnte zu entgehen. Da man auf flacher Fläche auch spielen konnte, stellte sich das Spielfeld ein. Übertragungen zeigten die Wissenschaften. Ein Feld besteht in der Physik aus einem Raum, der leer oder mit Dingen gefüllt sein kann. Jedem Raumpunkt können messbare physikalischen Eigenschaften zugeordnet werden. Für Sprachwissenschaftler bilden z.B. Farbwörter, Bewegungsverben oder Verwandtschaftsnamen semantische Felder, diese Wörter teilen ein zentrales Bedeutungsmerkmal. Ausdrücke, mit denen man zeigt, gehören zu einem funktionalen Feld, dem "Zeigfeld der Sprache" (Bühler).

Wir bewegen uns sprachlich in den Wortnetzen, lassen uns von den Konoten und Verbindungen leiten und stehen öfter vor dem Problem, dass etwas nicht zu fassen ist mit unseren Mitteln, durch die Maschen fällt. Manchmal würden  wir gern etwas anders ausdrücken, als uns vorgegeben ist, möchten aber nicht ein neues Wort erfinden, das erklärungsbedürftig ist und sich kaum durchsetzen kann. Definieren ist in der schnellen Alltagskommunikation auch keine Lösung.

Wir bleiben auf die Sprache angewiesen, müssen uns mit ihren Mitteln möglichst präzise und nicht zu umständlich, möglichst verständlich und nicht allzu kompliziert  ausdrücken - und dies immer so, dass die aktuellen Hörer mit ihrem Wissen verstehen können. Besonders gilt das für diskussionssensible, brisante Wörter.  

Ausgewählte Literatur:
Bowe/K. Martin, K.(2007) Communication Across Cultures. Cambridge: University Press
Heringer, H.J. (2004) Interkulturelle Kommunikation. Tübingen: Francke (UTB)
H. Paul (20022), Deutsches Wörterbuch, Tübingen: Niemeyer
J. Grimm/W. Grimm (1854/1984), Deutsches Wörterbuch, München: dtv [auch als CD-ROM bei Zweitausendeins und im Netz
W. Pfeiffer u.a. (1994) Etymologisches Wörterbuch des Deutschen, München: dtv
F. Kluge (19994), Etymologisches Wörterbuch, Berlin/New York: de Gruyter

R. Reiher (1995) Sprache im Konflikt. Zur Rolle der Sprache in sozialen, politischen und militärischen Auseinandersetzungen. Berlin/New York: de Gruyter
C. Schmitz-Berning (1998) Vokabular des Nationalsozialimus. Berlin/New York: de Gruyter
G. Stötzel/M. Wengeler u.a. (1995) Kontroverse Begriffe. Geschichte des öffentlichen Sprachgebrauchs in der Bundesrepublik Deutschland. Berlin/New York: de Gruyter
G. Strauß, Gerhard/U. Haß/G. Harras (1989) Brisante Wörter von Agitation bis Zeitgeist. Ein Lexikon zum öffentlichen Sprachgebrauch. Berlin, New York: de Gruyter

Wortschatzerwerb