Warum Wörter
wichtig sind
Welche Wörter wir benutzen, ist nicht gleichgültig. Ausdrücke
wie Deutscher, Fundamentalist, Migration, türkischstämmig,
islamistisch, sich integrieren, tödliche Toleranz gehören zu
den sensiblen Bereichen der Zuwanderung und des gesellschaftlichen Zusammenlebens.
Solche Nomen, Adjektive, Verben kennzeichnen unsere Verarbeitung
der Welt. Sie stecken einen Bereich ab, in dem wir etwas sagen können,
sie bestimmen durch ihre Existenz und ihre Bedeutung, was zu sagen ist.
Indem wir sie haben und nutzen, beeinflussen sie wie wir etwas im Wissen
verarbeiten.
Die Grenzen symbolischer
Wörter sind locker gestrickt. Wann ist
etwas noch blau oder schon grau? Kleine Kinder haben hier typischerweise
Probleme - sie müssen lernen, wo in etwa die Grenzen sind.
Wörter sind durchlässig für neue Erfahrungen. Das Neue
lässt sich erst einmal nur mit den alten Mittel ausdrücken.
Wir überdehnen Bedeutungen, greifen zu Bildern und Metaphern.
Das Feld charakterisiert eigentlich etwas flach Ausgebreitetes,
dann eine flache Bodenfläche. Die konnte bearbeitet werden von Bauern,
so kam es zu einer Bedeutung ähnlich der von Acker. Auf
dem Feld konnte man auch kämpfen, es entstand durch Verbindung
mit einem Bestimmungswort das Schlachtfeld, dem man in der Feldflucht versuchen
konnte zu entgehen. Da man auf flacher Fläche
auch spielen konnte, stellte sich das Spielfeld ein. Übertragungen
zeigten die Wissenschaften. Ein Feld besteht in der Physik aus einem
Raum, der leer oder mit Dingen gefüllt sein kann. Jedem Raumpunkt
können messbare physikalischen Eigenschaften zugeordnet werden.
Für Sprachwissenschaftler bilden z.B. Farbwörter, Bewegungsverben
oder Verwandtschaftsnamen semantische Felder, diese Wörter teilen ein
zentrales Bedeutungsmerkmal. Ausdrücke, mit denen man zeigt, gehören
zu einem funktionalen Feld, dem "Zeigfeld
der Sprache" (Bühler).
Wir bewegen uns sprachlich in den Wortnetzen, lassen uns
von den Konoten und Verbindungen leiten und stehen öfter vor dem Problem,
dass etwas nicht zu fassen ist mit unseren Mitteln, durch die Maschen fällt.
Manchmal würden wir gern etwas anders ausdrücken, als uns vorgegeben
ist, möchten aber nicht ein neues Wort erfinden, das erklärungsbedürftig
ist und sich kaum durchsetzen kann. Definieren ist in der schnellen Alltagskommunikation
auch keine Lösung.
Wir bleiben auf die Sprache angewiesen, müssen uns mit
ihren Mitteln möglichst präzise und nicht zu umständlich, möglichst
verständlich und nicht allzu kompliziert ausdrücken - und dies
immer so, dass die aktuellen Hörer mit ihrem Wissen verstehen können. Besonders
gilt das für diskussionssensible, brisante Wörter.
Ausgewählte Literatur:
Bowe/K. Martin, K.(2007) Communication Across Cultures. Cambridge:
University Press
Heringer, H.J. (2004) Interkulturelle Kommunikation. Tübingen:
Francke (UTB)
H. Paul (20022), Deutsches
Wörterbuch,
Tübingen: Niemeyer
J. Grimm/W.
Grimm (1854/1984), Deutsches Wörterbuch, München: dtv [auch als
CD-ROM bei Zweitausendeins und im Netz
W.
Pfeiffer u.a. (1994) Etymologisches Wörterbuch des Deutschen, München:
dtv
F. Kluge (19994), Etymologisches
Wörterbuch, Berlin/New York: de Gruyter
R. Reiher (1995) Sprache im Konflikt. Zur Rolle der Sprache in
sozialen, politischen und militärischen Auseinandersetzungen.
Berlin/New York: de Gruyter
C. Schmitz-Berning (1998) Vokabular des
Nationalsozialimus. Berlin/New York: de Gruyter
G. Stötzel/M. Wengeler u.a. (1995) Kontroverse Begriffe.
Geschichte des öffentlichen Sprachgebrauchs in der Bundesrepublik
Deutschland. Berlin/New York: de Gruyter
G. Strauß, Gerhard/U. Haß/G. Harras (1989) Brisante Wörter
von Agitation bis Zeitgeist. Ein Lexikon zum öffentlichen
Sprachgebrauch. Berlin, New York: de Gruyter
Wortschatzerwerb
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