Die Diaspora ist ein
altehrwürdiges Modell.
Es geht davon aus, dass Menschen im Exil fern ihrer Religion und Kultur,
in absoluter Minderheit verstreut leben, aber an Glauben und Kultur festhalten,
ja sie noch besonders bewusst leben. Das betraf etwa jüdische Gemeinden
im Exil (z.B. in Babylon 586 v.Chr.), Katholiken in Nordamerika, der Türkei
oder Asien. Im Grund lebt man - so die zionistische Position - am falschen
Ort und sollte die Heimkehr ins Gelobte Land anstreben. Im Judentum gibt
es einen Ausdruck für das erzwungene Exil, galút, das dann
gewählt werden musste, wenn es kein erez jisrael gibt.
Per Definitionem ist die Disporakultur also eine, die die Kultur, die
Grenzen des Aufnahmelandes permanent überschreitet und sich an der wahrgenommenen
Heimatkultur sowie an anderen Diasporakulturen misst. Sie bedarf wie die in ihr
Lebenden für ihren Status ständiger Rechtfertigung. Oft wird die Heimat
aus dem Wohlstand des Exils heraus unterstützt.
Die Exilsituation ist stets als vorläufige begriffen, wenngleich sie
Jahrhunderte anhalten kann und in dieser Zeit enorme kulturelle Anpassungen
stattfinden.
Das sorgt auch dafür, dass die Herkunftssprache erhalten bleibt.
Eine solche Lebensform mag als exemplarisch geltenfür eine Welt der
Globalisierung. Gegenwärtig wird in
den Sozialwissenschaften diskutiert das verwandte Konzept
Transnationale
soziale Räume
Die Aktualität dieses Modells ergibt sich daraus, dass
neuzeitliche Wanderungsbewegungen - "Transmigration" - zur
Entstehung "transnationaler
/ transstaatlicher sozialer Räume" geführt haben,
die in komplexer Weise Aufnahme- und Herkunftsgesellschaft verbinden.
Dabei kommt es zu Rückwirkungen, wie man am Beispiel
islamistischer Vereinigungen sehen kann, die sich im Westen verändern
und solche Veränderungen auch zurückreichen. Ein anderes Beispiel
bilden die Effekte der Geldtransfers in die Herkunftsgesellschaft. Es
entstehen also neue Typen von Bindungen und Austauschbeziehungen.
Die
klassische Sicht auf sozial klar definierte nationale Territorien (Nationalstaaten)
weicht in diesem Konzept einer Perspektive, die von Räumen ausgeht,
in denen unterschiedliche soziale Gruppen 'geschichtet' leben, die Wechselbeziehungen
zu Gruppen in anderen, geographisch entfernten Räumen unterhalten.
Soziale Räume bilden sich nicht mehr eindeutig auf geographische
ab. Sie entziehen sich den bekannten Einteilungen nach Nationalstaaten.
Literaturhinweise:
Bommes, M. (2002) Migration, Raum und Netzwerke. In:
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Transcript
Mayer, R. (2005) Diaspora. Eine kritische Begriffserklärung. Bielefeld:
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Pries, L. (2001) Internationale Migration. Bielefeld:
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Sheffer, G. (2003) Diaspora Politics. At Home Abroad. Cambridge
Zeitschrift
Diaspora Tornoton University Press