Sprachwissenschaft studieren...

Grund 8: Computervermittelte Kommunikation - was ist neu an den sog. 'Neuen Medien'?

Die Sprachwissenschaft wendet sich neuen Kommunikationsformen und Textarten zu und hat an ihrer Entwicklung teil. In den letzten Jahren konnten wir erleben, wie neue Formen computervermittelter Kommunikation entstanden sind. Nehmen wir den Chat oder das Instant Messenger System als Beispiel. In ihnen können wir uns aktual verständigen, ganz ähnlich wie im Gespräch. Das ist möglich, weil Eigenschaften von Texten genutzt werden, mit denen Zeiten und Räume zu überbrücken sind. Es ergeben sich aber auch wichtige Veränderungen. So muss stärker als im Gespräch die Vorstellung beansprucht werden, grafische Zeichen ersetzen (zum Teil) nonverbale Mittel, bestimmte Formen wie z.B.er/sie/es sind nicht so einfach einsetzbar wie in anderen Text- oder Gesprächsformen.

 

 

Die Auflösung des linearen Textes in ein Netzwerk stellt auch die Sprachwissenschaft vor neue, spannende Forschungsaufgaben. Hypermedia-Anwendungen unterscheiden sich von herkömmlichen Texten nicht nur durch den Einbezug von Bild, Ton und Film, sie lassen den Nutzer selbst tätig werden (Interaktivität). Vor allem aber sind sie nicht mehr linear aufgebaut und nur in einer vorgegebenen Abfolge zu durchlaufen. Benutzer/innen können den Hypertext auf verschiedenen Pfaden - etwa je nach Vorwissen, Interesse, Nutzungszielen - durchqueren. Dies kannu.a. für neuartige Grammatiken, Sprachlernprogramme und lexika genutzt werden (vgl. Storrer/Harriehausen 1998).

Weniger kommunikationsorientiert ist die Computerlinguistik, die sich mit der Verarbeitung natürlicher Sprache in Rechnern befasst und die Informatik als Kooperationspartnerin hat. Zu den Anwendungen gehören Systeme zur maschinellen Übersetzung, zur Online-Recherche und Informationsfilterung, zur automatischen Satzanalyse, zur Textkorrektur, zur Spracherkennung und Spracherzeugung, zum Aufbau von Sprachdatenbanken und Lexika. Übersetzungsprogramme sind keineswegs perfekt - können es wohl auch nie sein. Sie liefern aber heute schon oft bessere Ergebnisse als das, was wir hier als Beispiel geben:


Niemand weiß, was Syntax eigentlich ist.
Syntax is real nobody for white, what.

Wir haben ihn das alles malen lassen.
Wir have him let this paint everything.

Das hat großen Spaß gemacht.
This has made great fun.

Niemand hat das damals verstanden.
This has understood nobody at that time.

Alle wollten es wissen.
All of them wanted to know it.

 


Die folgende Abbildung zeigt, in welchen Schritten man aus aufgezeichneten Gesprächen oder Voice-Over-IP-Telefonaten die Wörter und ihre Bedeutungen herausdestillieren könnte:

 

Quelle: http://www.cs.unc.edu/~amw/resources/hooktonfoniks.pdf

 

Wir dürfen gespannt sein, auf die kommunikativen Möglichkeiten, die uns die neuen Techniken bringen. Und slollten uns auch gegen die Gefahren des Datenmissbrauchs wappnen - dazu aber braucht man gute Informationen und einige technische Fähigkeiten. An den neuen Aufgaben aus genauer Kenntnis der Sprachen mitzuwirken, ist eine wirkliche Herausforderung.

Literatur:

M. Beißwenger/L. Hoffmann/A. Storrer (2004) Internetbasierte Kommunikation. Themenheft der Osnabrücker Beiträge zur Sprachtheorie, OBST 68/2

*M. Beißwenger (2007) Sprachhandlungskoordination in der Chat-Kommunikation. Berlin/New York: de Gruyter

K.U. Carstensen u.a. (eds.)(2001) Computerlinguistik und Sprachtechnologie. Heidelberg: Spektrum Akademischer Verlag
[Guter Überblick zur Computerlinguistik]

K. Ehlich (1995): Funktion und Struktur schriftlicher Kommunikation. In: Günther, H. / Ludwig, O. (Hgg.) 1995: Schrift und Schriftlichkeit. Bd. 1. Berlin: de Gruyter, 18-41

L. Hoffmann (2004) Chat und Thema. In: OBST 68, 2004, 103-123 preprint [mit der im OBST-Heft fehlenden Abb.!]

K. Knapp et a. (Hg.)(2004) Angewandte Linguistik. Ein Lehrbuch. Tübingen: Francke (UTB 8275)

K. Morik: Zur Attraktivität der Informatik für Studienanfängerinnen (pdf) [Entscheidungshilfe für Frauen]

U. Schmitz (2004) Sprache in modernen Medien. Berlin: Schmidt [guter Überblick zu einer Vielzahl aktuellöer Medien]

A. Storrer/B. Harriehausen (ed.)(1998) Hypermedia für Lexikon und Grammatik. Tübingen: Narr

A. Storrer (2001) Getippte Gespräche oder dialogische Texte? In: A. Lehr et al. Hg.) Sprache im Alltag. Berlin/New York: de Gruyter, 439-465

R. Weingarten (Hg.)(1997) Sprachwandel durch Computer. Westdeutscher Verlag: Opladen

www.chat-bibliography.de/

www.mediensprache.net/de/websprache/

Linguee

 

 

      Grund 9