Sprachwissenschaft studieren...
Grund 2: Sprache ist spezifisch für den Menschen.
Sprache ist in dieser komplexen, leistungsfähigen Form
nur dem Menschen eigen. Sie ermöglicht die Ausbildung von Wissen, das über
Generationen weitergegeben wird und in allen Lebensformen das Handeln leitet.
Einige Sprachwissenschaftler betonen die biologisch-genetische Basis der Sprache,
sie gebe sogar die grammatische Grundstruktur vor. So Noam
Chomsky, (1996) Probleme sprachlichen Wissens. Weinheim: Beltz.
Britische Wissenschaftler haben entdeckt, dass vererbte Mutationen auf dem Chromosom 7, die durch ein einziges Gen - FOXP2 - bedingt sind, zu Beeinträchtigungen der Sprachfähigkeiten führen. Dies besagt nichts darüber, wie etwa ein genetischer Initialzustand der Grammatik aussieht. Die Schädigungen bezogen sich auf die Bildung und das Verstehen von Wörtern und einfachen grammatischen Formen, aber auch auf die Koordination von Lippen und Zunge. Leipziger Forscher fanden heraus, dass Menschen (im Vergleich zu Schimpansen) über eine spezifische Variante von FOXP2 verfügen, die sich möglicherweise erst vor ca. 200000 Jahren herausgebildet hat und die für die Regulierung der "Transkription" (Anfertigung von Kopien) von Genen verantwortlich ist. Die durch FOXP2 gesteuerte Vielzahl unterschiedlich genutzter ("exprimierter") Gene scheint den Unterschied zu machen, der Menschen sprechen lässt.
Die Sprache unterscheidet den Menschen vom Tier. Dieser Unterschied
zeigt sich auch im Bauplan des Gehirns. Tiere können - soweit wir wissen,
wir können ja nicht wirklich an ihrer Kommunikation teilhaben - Signale
austauschen. Die können sich aber nicht auf eine so komplexe Weise (reiche
Grammatik mit unbegrenzten Kombinationsmöglichkeiten von Ausdrücken,
die verstehbar sind) verständigen. Z.B. über konkrete wie abstrakte
Gegenstände (was war, was in der Zukunft liegt, was möglich ist
oder wahrscheinlich). Sie können das Wissen offenbar
nicht so differenziert verarbeiten und zum Ausdruck bringen. Der Mensch weiß,
dass das, was der Andere sagt, als Beitrag zur Verständigung gedacht
ist. Und der Andere weiß, dass der Hörer dies weiß...und
so weiter. Sprechen heißt : wechselseitig, symmetrisch die Perspektive
des Gegenübers einnehmen und nachvollziehen. Ab 9 Monaten können
Kinder das lernen. Affen bringen es nie zu solcher Art des Austauschs. Wenn
ich die Perspektive meines Gegenübers einnehmen kann, kann ich z.B.
sagen: "Dein Vater hat angerufen." Oder die Großmutter sagt
zur kleinen Enkelin: "Oma kauft Dir jetzt einen Lutscher." Als
neurologische Basis kann man die von Rizzolatti u.a. entdeckten Spiegelneuronen annehmen.
Bestimmte Neuronen, die bei Bewegungen aktiv sind, sind es auch, wenn jemand
anders beobachtet wird, der eben diese Bewegungen macht. Jedenfalls ist Sprache
mehr als ein einfaches Signalsystem wie z.B. das Morsealphabet. Durch Kommunikation
lernen wir Kommunikation in einer Form, wie sie Tiere in freier Wildbahn
nicht ausbilden. Die zeigen sich gegenseitig nichts, wie es Menschen tun.
Allerdings können Menschen Affen in Gefangenschaft durchaus sprachähnliche
Symbole beibringen und nachgeahmte Gesten verstärken, dazu werden technische
Mittel wie Tastaturen genutzt, weil die Artikulationsfähigkeit fehlt.
Aber es gibt harte Grenzen.
Mag sein, dass der Mensch die Freiheit der Hand, die kletternde Affen nicht
haben und die der aufrechte Gang mit sich brachte, genutzt hat, um schrittweise
erste kommunikative Formen als Vorläufer der Sprache zu entwickeln (vgl.
u.a. Corballis 1999). Dafür sprechen u.a. die durch die Hirnstruktur
bedingten Asymmetrien von Hand und Sprache, die Möglichkeit, voll funktionsfähige
Gebärdensprachen auszubilden, die den gesprochenen Sprachen gleichwertig
sind.
Der Schwänzeltanz der
Bienen informiert
über entfernte Nahrungsquellen. Wackelnd bewegt sich die Biene in
die Richtung der Nahrung, ihr Tempo zeigt die Entfernung an (langsame Bewegung
- weite Entfernung). Bei 300 Metern Entfernung machten die Bienen in einem
Experiment 15 Durchläufe, bei 700 Metern nur 11. Erforscht wurde dies
reichhaltige System durch den Biologen Karl von Frisch. |
Große Affen haben - anders als Papageien oder Delfine - praktisch nicht
die Fähigkeit, Sprechlaute nachzuahmen. Sie können aber trainiert
werden, um manuell Symbole zu nutzen (Schalter umzulegen etc.) und dabei so
etwas wie einen 'Wortschatz' von über 100 Einheiten zu erwerben. Auch
Hunde können einen größeren Wortschatz erwerben (Bezeichnungen
für Dinge, so der berühmte Hund
Rico aus Münster). Trainierte Bonobos können Mehrwort-Sequenzen
wahrnehmen und dabei offenbar die Wortfolge berücksichtigen. Alle Tiere
scheinen aber eine komplexe, hierarchische Syntax für Wortgruppen (wie
Linguisten sie etwa mit "Phrasenstrukturgrammatiken" beschreiben)
nicht einsetzen zu können.
Viele Tiere - z.B. kleine Affen wie Makaken - können sich in Alarmrufen
auf Gegenstände bzw. präsente Tiere beziehen, sie können den
Empfängern die Distanz zu einem Raubier signalisieren. Dies geschieht
aber nicht intentional und ist nicht gelernt.
Kleine Affen verfügen nicht über eine "Theory of Mind",
sie können sich - anders als ältere Kinder - nicht in ihr Gegenüber
versetzen und sein Wissen, Wahrnehmen nachvollziehen und berücksichtigen.
Vor allem aber gilt: Tiere können ganz offensichtlich keine Propositonen
(Sachverhalte) ausdrücken. Sie können offenbar nicht in komplexer
Weise schlussfolgern und interpretieren.
Traditionsbildung findet sich nur in geringem Maß bei Affen (berühmt ist das Beispiel der Äffin in Japan, die Kartoffeln in Salzwasser gelegt und in ihrer Affengruppe eine Tradition begründet hat). Ist die Hirngestalt entscheidend (anderthalb Kilogramm menschlicher Hirnmasse gegenüber 400 Gramm beim Schimpansen)? Das Sprachzentrum scheint beim Menschen anders verdrahtet zu sein, besonders der linke Temporallappen (genauer: das Planum temporale) des Menschen ist vergleichsweise groß, komplex geschichtet und geschaltet in der Struktur der Nervenzellen. Gehirnzellen repräsentieren Zustände anderer Körperorgane, regulieren sie (meist unbewusst) und erzeugen Bilder der Außenwelt. Auf eine recht ungeklärte Weise sorgt das Gehirn dafür, dass der Mensch sich selbst bei diesen Aktivitäten beobachten kann, das ist das alte Problem des Selbstbewussteins. Die materielle Struktur reflektiert sich selbst. Dies wiederum manifestiert sich in der menschlichen Sprache.
Eine Polarisierung Gesellschaft gegen Kultur gegen Natur führt in die Irre. Dass der Mensch ein gesellschaftliches Wesen ist, liegt in seiner Natur begründet. Die kulturelle Vermittlung begreift der Anthropologe Michael Tomasello als biologischen Mechanismus Auf Deutsch erschienen:
M. Tomasello (2003) Die kulturelle Entwicklung des menschlichen Denkens. Frankfurt: Suhrkamp Verlag
D. Perler/M. Wild (Hg.)(2005) Der Geist der Tiere. Frankfurt: Suhrkamp (stw 1741) [anspruchsvolle Texte zur Diskussion]
Grundlegende Texte zu Sprache und Evolution enthält:
Christiansen, M.H./Kirby, S. (eds.)(2003) Language Evolution. Oxford: University Press
Mit Fragen dieser Art befasst sich auch die Forschungsgruppe "Was ist der Mensch?" an der Univ. Dortmund und dem KWI Essen.
Literatur zur Tierkommunikation und zur
menschlichen Sprachfähigkeit im Kontrast dazu