Im familiären Gespräch werden vor allem Verwandtschaftsbezeichnungen
genutzt. Schön dargestellt ist das in dem Buch, an dem ich mich
orientiere:
Yoshiharu Kasai (2002), Das System der Selbstbezeichnungen, Anredeformen
und Drittbezeichnungen auf dem Hintergrund der sozialen beziehungen,
Frankfurt: Lang.
Reden über sich
Sprechen Mutter oder Vater mit ihrem Kind, nehmen sie kaum einen Ausdruck,
der ich entspricht, sondern das Wort für 'Vater' (otôsan)
oder 'Mutter (okâsan). Der Großvater sagt gegenüber
dem Enkel ojîsan ('Großvater'). Oder man nimmt
die Perspektive des jüngsten Kindes ein, die Großmutter z.B. die
der Enkeltochter. Dies auch, wenn die Kinder älter sind.
Voraussetzung für diesen Gebrauch ist aber, dass die ältere zur jüngeren
Person spricht, also etwa die Mutter zum Sohn. Eine Selbstbezeichnung mit Verwandtschaftsausdruck
gegenüber älteren Verwandten wäre nicht möglich, der Sohn
würde dem Vater gegenüber boku 'ich' sagen. Diese Trennungslinie
kennzeichnet den Respekt, den Jüngere den Älteren schulden und der
in das Sprachsystem eingebaut ist. Selbst gegenüber fremden Kindern kann
man sich als älterer Bruder oder ältere Schwester bezeichnen.
Die Anrede...
von älteren Verwandten darf nie mit Vornamen oder "Pronomen" ('du')
geschehen. Letzteres wäre verächtlich - es muss die Verwandtschaftsbezeichnung
gewählt werden. Das gilt auch gegenüber älteren Geschwistern.
Eine fremde verheiratete Frau allerdings darf man als okusan ('Ehefrau')
anreden. Ältere sprechen Jüngere grundsätzlich nicht
mit einer Verwandtschaftsbezeichnung an, sondern nutzen Anredepronomen
oder Vornamen. Ehepartner sprechen sich in Anwesenheit der Kinder meist
mit dem Ausdruck otôsan ('Mutter') bzw. okâsan ('Vater')
an. Sie wählen also die Sicht des Kindes. Die pronominale Anrede
gilt einfach als weniger höflich, öfter ist sie gar nicht
statthaft. Möglichz ist auch eine Rollen-Anrede wie sensei ('Lehrer')
oder okyakusan ('Kunde').
Was ein Mann bzw. eine Frau mittleren Alters äußert, um
sich gegenüber Anderen auf sich zu beziehen, lässt sich Kasai
folgend in der Tendenz so zusammenfassen (blau
markierte Ausdrücke sind Pronomina, die 'ich' entsprechen, rot
markierte sind Verwandtschaftsausdrücke, die Substantive/Nomina
sind).
Partner/in in der Sprechsituation |
Selbstbezug des Sprechers |
Selbstbezug der Sprecherin |
älterer Bruder |
boku, ore |
watashi |
Vater |
boku |
watashi |
Ehefrau bzw. Ehemann |
ore |
atashi |
jüngerer Bruder |
nîsan, onîsan ('älterer
Bruder') |
onêsan ('ältere
Schwester') |
eigener Sohn |
otôsan ('Vater') |
okâsan ('Mutter') |
Neffe/Sohn des Nachbarn |
ojisan ('Onkel') |
obasan ('Tante') |
Kollege |
boku |
atashi |
Gleichaltrige, jüngere
Person (nicht verw.) |
ore, boku |
atashi, watashi |
Vorgesetzter |
watashi, watakushi |
watashi, watakushi |
Die eher in lockeren Situation benutzten Ausdrücke boku und ore - ore ist
besonders locker - sind männlich besetzt, Frauen sagen eher watashi oder atashi. Jüngere
Kinder, auch Mädchen, können boku verwenden. Wir sehen
hier, dass das Japanische dem Alter hohen Wert beimisst (gemäß Konfuzius),
zwischen formellen und informellen Situationen unterscheidet und geschlechtsspezifische
Verwendungen vorsieht.
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