Kleines ABC:  Migration & Mehrsprachigkeit

 

Deutscher

 

Im Sinne des Grundgesetzes ist Deutscher, »wer die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt oder als Flüchtling oder Vertriebener deutscher Volkszugehörigkeit oder als dessen Ehegatte oder Abkömmling in dem Gebiete des Deutschen Reiches nach dem Stande vom 31.12. 1937 Aufnahme gefunden hat« (Artikel 116 Absatz1 GG).

Ansonsten ist das eine schwierige Frage, der Susanne Patzke (2006) in ihrer Dissertation „Bedeutung von Appellativa der Nationszugehörigkeit am Beispiel „Deutscher“ und „Ausländer“ (Lang Verlag) nachgegangen ist. Patzke hat herausgefunden, dass weiter ein ethnisches, volkhaftes Nationverständnis herrscht, für das Sprecher Kultur, Religion, Sprache, Geschichte heranziehen. Problematisch ist dessen Anwendung auf konkrete Personen, ihre Charakteristik, in der sich ein unaufgelöstes Spannungsverhältnis zur formalen juristischen Definition (Grundgesetz, Staatsangehörigkeitsgesetz etc.) zeigt. Zum einen wird Nation durchaus kritisch (NS-Zeit) gesehen, auch das Blutsprinzip wird (am Beispiel der Spätaussiedler) kritisiert, andererseits bleibt der Volksgedanke und viele Menschen deutscher Staatsangehörigkeit werden nicht als Deutsche betrachtet (Aussiedler werden als „Deutsch-Polen/-Russen“ markiert, die nur juristisch Deutsche seien).
Ausländer wird oft in Abgrenzung gegenüber Deutschen gefasst, d.h. schließt Menschen ein, die deutsche Staatsbürger sind, aber z.B. eine Migrationsgeschichte haben. Öfter verwendet man auch Menschen nicht-deutscher Herkunft.

Personen, die in ihrer Familie keine Migrationsgeschichte haben, werden manchmal als Biodeutsche oder Altdeutsche bezeichnet. Das kann kritisch gesehen werden.

Große Studie (bundesweite repräsentative Umfrage mit 8270 Befragten)
des Berliner Instituts für empirische Integrations- und Migrationsforschung (2014): Wer ist deutsch?
Juristisch ist es ja so, dass deutsch ist, wer die deutsche Staatsangehörigkeit, einen deurschen Pass hat. Das wurde auch von 78,9% angegeben. Noch mehr, 96,8%, machten die Sprache zum Kriterium: Deutsch ist, wer Deutsch kann. Immerhin nur noch 37% machten die Abstammung zum Kriterium.
Ausschluss: 37,8% wollten Kopftuchträgerinnen nicht als Deutsch gelten lassen.

Das alles sollte nicht verwundern. Umfragen spiegeln immer auch das medial vermittelte Bild, die von der Politik vermittelten Auffassungen. Da ist Mehrsprachigkeit z.B. noch nicht angekommen (allenfalls in der seltsamen Form, es gäbe Leute, die behaupteten, man brauche hierzulande kein Deutsch); es gab mehrere (schräg verlaufene) Kopftuchdebatten.

Lit.: Susanne Patzke (2006) Bedeutung von Appellativa der Nationszugehörigkeit am Beispiel „Deutscher“ und „Ausländer“. Frankfurt: Lang

 

Was ist Deutsch? Eine schwierige Frage: Hochkultur? Lebensweise? Typisches Wissen? Oder was?

Hier eine Umfrage, die ZEIT-Online darstellt:

 

 

Zur allgemeinen Einschätzung der Wichtigkeit von Anpassung für die Einbürgerung: Assimilation

 

 

Bertolt Brecht, Flüchtlingsgespräche (1940/41, im dänischen Exil):
"Der Paß", meditiert der Untersetzte, "ist der edelste Teil von einem Menschen.
Er kommt auch nicht auf so einfache Weise zustand wie ein Mensch.
Ein Mensch kann überall zustandkommen, auf die leichtsinnigste Art und ohne gescheiten Grund, aber ein Paß niemals.
Dafür wird er auch anerkannt, wenn er gut ist, während ein Mensch noch so gut sein kann und doch nicht anerkannt wird."