▶ Türkische Sprache
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Kleines ABC: Migration & Mehrsprachigkeit |
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> Einige Probleme im Zweitspracherwerb Deutsch bei türkischer Erstsprache
Türkisch ist seit 1923 Staatssprache der Türkei und wird von etwa 80 Mill. Menschen gesprochen, von ca. 5 Millionen davon als Zweitsprache. Die Hochsprache basiert auf dem Istanbuler Dialekt. Türkisch wird auch in Balkanländern gesprochen, es gibt allein in Bulgarien über eine Million Sprecher. Die größte Sprachinsel befindet sich mit gut 2 Millionen Sprechern in Deutschland. Es gibt Anzeichen, dass sich hier längerfristig einer eigene Varietät des Türkischen ausbildet. Türkisch gehört zu den Turksprachen. Die Turkvölker sind ursprünglich wohl zwischen Khangai- und Altaigebirge in Asien, beheimatet gewesen. Nach dem 8. Jahrhundert kam es zu Wanderungsbewegungen. Türkisch war schon läger in Anatolien präsent und wurde die seit dem 15. Jahrhundert dominierende Sprache des Osmanischen Reiches. Ab dieser Zeit stand das Türkische stark unter arabischem und persischem Einfluss (Vokabular) und wurde arabisch geschrieben. Europäische Sprachen (besonders das Französische) wirkten im 19. Jahrhundert ein. 1928 wurde im Zuge der Reformen Atatürks die lateinische Schrift eingeführt. Die (in nur drei Monaten geschaffene) Orthographie ist vergleichsweise lautgetreu. Etwa ab 1932 kam es zu puristischen Bestrebungen, die zum Ziel hatten, persische und arabische Elemente zu tilgen. Türkisch ist heute eine moderne Sprache mit entwickeltem Bildungs- und Wissenschaftswortschatz. Zwischen Standardtürkisch und dem Türkisch ländlicher Regionen bestehen weiterhin Differenzen, die den Bildungsgang der Kinder erschweren können. Osmanisch und Türkisch zeichnen sich durch eine literarische Hochkultur aus, die etwa ab dem 18. Jahrhundert auch westlich beeinflusst ist. Im 20. Jahrhundert sind besonders zu nennen: Nȃzım Hikmet, Yaşar Kemal (Friedenspreis des Deutsche Buchhandels), Orhan Pamuk (Nobelpreis 2006). Neben dem Türkischen gibt es in der Türkei zahlreiche Minderheitensprachen wie
Bis zum Ende des Osmanischen Reiches nach dem Ersten Weltkrieg war die Sprache der Elite das Osmanische, das arabische geschrieben wurde. 1923 folgte die moderne Türkei, die zahlreichen Reformen (Kopfbedeckung, Säkularisierung etc.) mit sich brachte und das bis dahin eher ländliche Türkisch zur Staatssprache machte – nicht ohne eine Reform der Schrift (Alphabet) und eine Sprachreinigung im lexikalische Bereich (Abschaffung arabischer und persischer Wörter, Neubildungen mit den neuen Präfixen etc. Der Druck auf die Minderheitensprachen wurde stark. Das gilt besonders für die kurdische Sprache und Kultur, die da schon eine lange Konfliktgeschichte hatten. Viele Kurden wanderten von Osten nach Westen oder wurden umgesiedelt. Kurdisch wurde stark unterdrückt (Schriftliche Texte, Medien). Die Landbevölkerung sollte religiöse Traditionen und überkommene kulturelle Praktiken aufgeben. Aus den ländlichen Bereichen Anatoliens und aus den kurdischen Gebieten wanderten viele Menschen nach Westeuropa aus. Die Stigmatisierung des ländlichen wie des sog. 'Schwarzmeer-Türkischen (= Lasisch) blieb ein Problem und wurde auch in due Migration mitgenommen; für die Kinder bleibt ein Schulerfolg somit oft aus (Briziç 2oo7). Mit der Regierung Erdoǧan gewann der Islam wieder eine größere Rolle. Seit dem Militärputsch stehen einige demokratische Prinzipien auf dem Spiel, besonders die Pressefreiheit. Einige Besonderheiten der Grammatik des Türkischen A. Charakteristika des Lautsystems: • Die Unterscheidung zwischen langen (oder gespannten)
und kurzen (oder ungespannten) Vokalen ist nicht (wie im Deutschen) bedeutungsunterscheidend.
• Türkisch hat eine Vokalharmonie: Endungsvokale passen sich an die Stammvokale an. Dadurch hat ein türkisches Wort in der Regel nur vordere, helle oder nur hintere, dunkle Vokale. Auch Finnisch, Ungarisch haben eine Vokalharmonie.
• Die türkischen Konsonanten teilen sich in stimmhafte und stimmlose auf. Doppelkonsonanz ist selten (anne 'Mutter'), sie führt zu zweifacher Artikulation. • Es gibt im Türkischen am Wortende Assimilationserscheinungen (stl. Konsonanten werden stimmhaft, wenn ein vokalisches Suffix folgt. Folgt auf einen stimmlosen Kponsonanten im Auslaut ein Suffix mit sth. Konsonanten, wird dieser stimmlos. Im Auslaut lösen stimmlose Konsonanten Stimmlosigkeit eines ersten Suffixkonsonanten aus.
• Die türkische Orthographie ist nicht schwer, Sie
finden eine Übersicht in 10 Regeln hier, eine andere hier (pdf). B. Morphologie: das agglutinierende Prinzip • Türkisch hat - anders als Deutsch - ein reichhaltiges
verbales Aspektsystem. Beispielsweise gibt es eine Verlaufsform, die
das Deutsche nur umgangssprachlich besitzt: Sezer hanım ütü yap-makta 'Frau
Sezer ist am/beim Bügeln.' Die miş-Form kann u.a. eine Information
als bloß vom Hörensagen oder erschlossen kennzeichnen: gelmişsin es
wird gesagt/ ist anzunehmen, dass du gekommen bist'. C. Syntax: Thema vor Rhema, Verb am Ende • Das Thema (Bekanntes, Gegebenes, Präsentes) wird früh realisiert und hat öfter die Subjekt-Rolle. Danach kommt das Neue, Relevante, Gewichtige. • Der Satz endet zumeist mit dem Ausdruck der Prädikation (i.d.R.Verb). Da die Objekte - als verbnähere Satzteile - dem Subjekt folgen, ergibt sich als Grundfolge Hervorgehoben (und akzentuiert) wird der Bereich vor dem Verb, dort kann z.B. auch ein gewichtetes Adverb stehen: Mesut ablama kitabı dün getirdi. 'Mesut brachte meiner Schwester gestern das Buch.' Dün ablama kitabı Mesut getirdi. Gestern brachte meiner Schwester Mesut das Buch.' Die Grundfolge entspricht zum Teil der deutschen Nebensatzfolge.
• Es gibt - wie in semitischen Sprachen (Arabisch, Hebräisch) - Nominalsätze (ohne ein Kopulaverb wie ist): Çocuk-lar çalışkan 'Die Kinder (sind) fleißig.' • Die Nebensätze werden als nominale,
attributive oder adverbiale Satzteile bzw. als Konverben realisiert;
sie erscheinen als Verbformen (Partizip, Gerundium etc.), ohne Subjunktoren.
Nebensätze werden in die Hauptsätze eingelagert; nur in wenigen
Konstruktionen (z.B. mit ki) folgen sie. • Hervorhebung geschieht durch Stellung vor dem Finitum (+ Intonation),
ferner durch Ausdrücke wie gelince (‘was X betrifft’)
oder Kontrastpartikeln und die Negationskopula değil,
die der Bezugskonstituente folgt (im Kontrastfall auch im linken Außenfeld);
Einige Probleme im Zweitspracherwerb Deutsch bei türkischer Erstsprache Genus Lit.: Statt Präpositionen nutzt Türkisch Kasusendungen zur Relationierung, ferner hat es einige wenige Postpositionen (nachgestellte Relationierer), die einen Kasus regieren: arkadaş-ım-la 'mit meinem Freund' und entsprechende nominale Konstruktionen: ev-in ön-un-de 'des Hauses (Genitiv) an seiner (Poss.) Vorderseite (Lokativ)', 'vor dem Haus'. Im Deutschen haben wir eine Vielzahl von Präpositionen mit bestimmte Kasusforderungen (wegen des Wetters, mit dem Wind, gegen den HSV), einieg verlangen je nach Bedeutung unterschiedlichen Kasus ("Wechselpräpositionen"): in der Schule, in die Schule, an der Wand, an die Wand. Manche sind an bestimmte Verben gebunden: sich wundern über, vertrauen auf, glauben an, fahren nach und regieren Präpositionalobjekte (fuhr nach Köln, fuhr zu Paula). Hier gibt es eine erhebliche Lernaufgabe, übrigens zunehmend auch für Kinder mit Deutsch als Erstsprache. Lit.: Bestimmter Artikel Lit.: Wortstellung Die deutsche Wortstellung ist gerade mit den drei Positionsmöglichkeiten des Verbs (Erststellung: Sag mal...), Zweitstellung (Sie sagte was), Endstellung im Nebensatz (dass sie was sagte) sehr auffällig und ganz gut lernbar. Thematizität und Gewichtung sind hier wichtige Prinzipien:
Türkisch sollte an deutschen Schulen,
wie auch Russisch und Arabisch, reguläres Schulfach sein P.A. Andrews (Hg.)
(1989, 2002) Ethnic Groups in the Republic of Turkey. 2 Bd.
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