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  Die Systeme haben nicht allein den Nutzen, daß man ordentlich über Sachen denkt, nach einem gewissen Plan, sondern, daß man überhaupt über Sachen denkt, der letztere Nutzen ist unstreitig größer als der erstere.
(Georg Christoph Lichtenberg, Sudelbücher E 24, 1775)

 

 

 

Ludger Hoffmann (Hrsg.) (2010)
Sprachwissenschaft Ein Reader

Berlin/New York: de Gruyter

3., aktualisierte und erweiterte Auflage

Broschur

(auch als E-Book)


Wozu ein Reader?

Am besten informiert man sich aus erster Hand. Dies Buch führt direkt zu klassischen Texten der Sprachwissenschaft. Sie sind ausgewählt, um einen Überblick zu schaffen, ohne gleich ganze Bibliotheken lesen zu müssen. Ein Einstieg über Klassiker ist sinnvoll: Was Humboldt, de Saussure, Bühler, Bloomfield und andere geschrieben haben, wird auf lange Sicht zu ihrem Fundament gehören. Damit der Zugang nicht schwer fällt, enthält der Band einführende Texte zu allen Teilbereichen der Sprachwissenschaft, die auch im Bachelorstudium zu lesen sind.
Den Texten sind orientierende Einleitungen mit Literaturangaben für die Weiterarbeit vorangestellt. Viele Beiträge nehmen direkt oder indirekt, kritisch oder fortführend aufeinander Bezug und laden zur Teilnahme an Diskussionen ein. Etwa zu Frage: Was ist Sprache? Sind die Sprachen spezifisch für den Menschen? Wie kommen Kinder zur Sprache?
Der Anhang enthält u.a. einen Überblick zum Spracherwerb und eine Beschreibung der Papua-Sprache Yale.
In der folgenden Inhaltsübersicht gelangt man über die Autorennamen zu weiteren Informationen.

> Ergänzende Literaturhinweise

> Einsatz in Lehrveranstaltungen (Lehrende)

> de Gruyter

> Rezension (linguist list, Petra-Kristin Bonitz)

 

 

 

"This is a very well-written book that presents central important issues of linguistics with excerpts from the classic academic literature. This book is ideal for university classes in German linguistics. An instructor can present linguistic themes drawing on the classic theories and texts collected here." (Petra Bonitz. Linguist List 22.450)

 

Inhalt 

Vorwort 

A. Sprachtheorien

Einleitung

Wilhelm von Humboldt (1810/11) Einleitung in das gesamte Sprachstudium

Hermann Paul (1880/19205) Prinzipien der Sprachgeschichte: Allgemeines über
das Wesen der Sprachentwickelung

Ferdinand de Saussure (1916) Grundfragen der allgemeinen Sprachwissenschaft:
•Gegenstand der Sprachwissenschaft •Die Natur des sprachlichen Zeichens •Syn-
tagmatische und assoziative Beziehungen

Leonard Bloomfield (1933/19352/2001dt.) Die Sprache. Kap. 2: Die Verwendung der Sprache

Karl Bühler (1934) Sprachtheorie: •Das Organonmodell der Sprache •Sprechhand-
lung und Sprachwerk; Sprechakt und Sprachgebilde •Das Zeigfeld der Sprache und
die Zeigwörter •Die Origo des Zeigfelds und ihre Markierung

Ludwig Wittgenstein (1958) Philosophische Untersuchungen: •Kap.1, 2, 8-11, 17-18,
21, 23-25, 43, 65-67

Charles W. Morris (1938) Grundlagen der Zeichentheorie: Semiotik

Noam Chomsky (1988/1996) Probleme sprachlichen Wissens: I. Ein Rahmen für die Diskussion

Michael Tomasello (1999/2002dt.) Die kulturelle Entwicklung des menschlichen Denkens. Kap. 7: Kulturelle Kognition

George Lakoff/Elisabeth Wehling (2008) Auf leisen Sohlen ins Gehirn


B. Sprache und Handlung

Einleitung

John L. Austin (1958) Performative und konstatierende Äußerung

John R. Searle (1969), Was ist ein Sprechakt?

H. Paul Grice (1975) Logik und Konversation

Konrad Ehlich (1998) Funktionale Pragmatik – Terme, Themen und Methoden

C. Diskurs und Konversation

Einleitung

Konrad Ehlich (1984), Sprechhandlungsanalyse

Jörg Bergmann (1995) Konversationsanalyse

Harvey Sacks (1971) Das Erzählen von Geschichten innerhalb von Unterhaltungen

Susanne Günthner (1993) Strategien interkultureller Kommunikation.: Das Konzept der Kontextualisierung • Kontextualisierungskonventionen und interkulturelle Kommunikation

Jochen Rehbein (1986) Institutioneller Ablauf und interkulturelle Mißverständnisse in der Allgemeinpraxis. Diskursanalytische Aspekte der Arzt-Patienten-Kommunikation

Transkriptbeispiele:

Ludger Hoffmann (1996) Kommunikation in der Strafverhandlung
--> Hier der Ton dazu (= MP3-Datei, 668 KB)

Angelika Redder (1994), Anruf in der Uni

D. Laute, Töne, Schriftzeichen

Einleitung

André Martinet (1960) Grundzüge der Allgemeinen Sprachwissenschaft: •Die
zweifache Gliederung (double articulation) der Sprache •Die sprachlichen Grund-
einheiten •Die artikulatorische Phonetik •Die Transkriptionen •Die Stimmritze (Glottis)
•Die Vokale •Die Konsonanten •Die Silbe.

T. Alan Hall (2000) Phonologie: 2. Phonologische Grundbegriffe • Das Phonem • Aufgaben

Nikolaj S. Trubetzkoy (1939), Grundzüge der Phonologie: •Phonologie und Phonetik
•Vorbemerkungen •Phonologische (distinktive Opposition) •Unterscheidung von Phonemen
und Varianten

Bernd Pompino-Marschall (1995/20032), Einführung in die Phonetik: •Die suprasegmentale
Struktur lautsprachlicher Äußerungen • Das Deutsche •Akustik der gesprochenen Sprache

Peter Eisenberg (1996) Das deutsche Schriftsystem

Roman Jakobson (1959), Warum "Mama" und "Papa"?

William Labov (1968), Die Widerspiegelung sozialer Prozesse in sprachlichen Strukturen

 


E. Wortform, Wortstruktur, Wortart

Einleitung

Heinrich Weber (1971/2) Einführung in die Morphemik, In: Autorengruppe (H. Bühler/ G. Fritz/ W. Herrlitz/ F. Hundsnurscher/ B. Insam/G. Simon/ H. Weber) Linguistik I. Tübingen: Niemeyer, 71-79, 87-93

Leonard Bloomfield (1923/1935) Die Sprache: Kap.10. Grammatische Formen

Theo Vennemann/Joachim Jacobs (1982) Sprache und Grammatik: •Morphologie

Edward Sapir (1931), Die Sprache: Form und Sprache

Jean Aitchison (1997) Wörter im Kopf: Globbernde Matratzen. Das Erzeugen neuer Wörter

Robert H. Robins (1966) The development of the word class system of the European
grammatical tradition


F. Satz, Äußerung, Text

Einleitung

Hermann Paul (1919) Deutsche Grammatik III: •Einleitung •Aufbau des einfachen Satzes

Otto Behaghel (1932) Deutsche Syntax IV: •Die Wortstellung •Allgemeines

Ursula Klenk (2003) Generative Syntax: 1. Konstituentenstrukturen

Charles F. Hockett (1958), A Course in Modern Linguistics: •Immediate Constituents

Lucien Tesnière (1959) Grundzüge der strukturalen Syntax: •Konnexion •Die Struktur des
einfachen Satzes •Junktion •Translation

Noam Chomsky (1988/1996) Probleme sprachlichen Wissens: III. Prinzipien der Sprachstruktur

Gereon Müller (2002) Verletzbare Regeln in Straßenverkehr und Syntax

Ludger Hoffmann (2003) Funktionale Syntax: Prinzipien und Prozeduren

Adele E. Goldberg (2003) Constructions: a new theoretical approach to language

Michael Tomasello (2006) Konstruktionsgrammatik und früher Erstspracherwerb

Martin Haspelmath (2002) Grammatikalisierung: von der Performanz zur Kompetenz ohne angeborene Grammatik

Joseph H. Greenberg (1969) Typologie der grundlegenden Wortstellung

 

G. Bedeutung

Einleitung

John Lyons (1991), Bedeutungstheorien: •Die Referenztheorie •Die Ideationstheorie
•Verhaltenstheorie der Bedeutung und behaviouristische Semantik •Strukturelle Semantik
•Bedeutung und Gebrauch •Wahrheitsbedingungen-Theorien der Bedeutung

Manfred Bierwisch (1969) Strukturelle Semantik

Dieter Wunderlich (1974) Grundlagen der Linguistik: Zur Explikation von Sinnrelationen

Dieter Wunderlich (1980) Arbeitsbuch Semantik: Lexikalische Feldanalyse •Lexikalische Felder •Arbeitsaufgaben

Sebastian Löbner (2003) Semantik: 9.2 Prototypentheorie

Gottlob Frege (1906), Einleitung in die Logik

Ernst Tugendhat/Ursula Wolf (1983) Logisch-semantische Propädeutik: Wahrheit

Helmut Frosch (1996) Montague- und Kategorialgrammatik

 


H. Anhang

Zeicheninventar der International Phonetic Association (IPA)(1993)
Dazu auch die Darstellung der Wikipedia

Artikulationsorgane, Artikulationsstellen, exemplarische Lautklassifikationen

Wolfgang Klein (2001) Typen und Konzepte des Spracherwerbs

Volker Heeschen (1985/2009) Die Yale-Sprache, eine Papua-Sprache

 

 

 

Lust auf mehr Sprachtheorie?

Tilman Borsche (ed.)(1996) Klassiker der Sprachphilosophie. Von Platon bis Noam Chomsky. München: Beck  [Überblicksdarstellungen]

Eugenio Coseriu (2003) Geschichte der Sprachphilosophie. Tübingen: Francke (UTB) [besonders interessant die Darstellung älterer Theorien, z.B. Aristoteles]

Nicholas Evans/Stephen C. Levinson (2009) The myth of language universals: Language diversity and its importance for cognitive science. In: BEHAVIORAL AND BRAIN SCIENCES 32, 429 –492

Helmuth Feilke (1996) Sprache als soziale Gestalt. Frankfurt: Suhrkamp

Ludger Hoffmann (2004) Reflexionen über die Sprache: de Saussure, Bühler, Chomsky. In: Kulturwissenschaftliches Institut (Hg.)(2005) Jahrbuch 2004. Bielefeld: transcript, 79-111 preprint
[zu de Saussure, Bühler, Chomsky]

Ludger Hoffmann (2009) Sprache. In: E. Bohlken/C. Thies (Hg.)(2009) Handbuch Anthropologie. Stuttgart/Weimar: Metzler, 426-430 [kompakte Darstellung]

Sybille Krämer (2001) Sprache, Sprechakt, Kommunikation. Sprachtheoretische Positionen des 20.
Jahrhunderts. Frankfurt: Suhrkamp (stw 1521)

Sybille Krämer/Ekkehard König (eds.)(2002) Gibt es eine Sprache hinter dem Sprechen? Frankfurt: Suhrkamp (stw 1592)

Jürgen Trabant (2006) Europäisches Sprachdenken. München: Beck [Überblick zu Sprachtheorien, der Humboldt zentral stellt]

Jürgen Trabant (2008) Was ist Sprache? München: Beck [von Humboldt und historischem Bewusstsein, alteurop. Denken, geprägte Texte]

Oder auf Grammatik?

Gisela Zifonun/Ludger Hoffmann/Bruno Strecker (1997), Grammatik der deutschen Sprache. Berlin/New York: Walter de Gruyter

Judith Macheiner (1991), Das grammatische Varieté. Frankfurt: Eichborn

Auf die Sprachenvielfalt der Welt?

Dossier: Die Evolution der Sprachen (2000) Heidelberg: Spektrum der Wissenschaft Verlag

Bernard Comrie (ed.)(1990) The World's major languages. Oxford: University Press

Daniel Everett (2010) Das glücklichste Volk. Sieben Jahre bei den Pirahǎ-Indianern am Amazonas. München: DVA

Harald Haarmann (2006) Weltgeschichte der Sprachen. München: Beck [Überblick zur Geschichte der Sprachen und Sprachfamilien]

Charles N. Li/Sandra A. Thompson (1981/1989) Mandarin Chinese. Berkeley: University of California Press.

> Aktualisierte Bibliographien zur Sprachwissenschaft und Sprachvermittlung

> Literatur zur Einführung in die Sprachwissenschaft

> 10 Gründe, Sprachwissenschaften zu studieren

> Kleines ABC der Mehrsprachigkeit und Migration

> Aktuelles aus der Welt der Sprache und Bildung

 

Einsatz in Lehrveranstaltungen

Am ehesten bietet sich die Lektüre und Diskussion in Seminaren oder Arbeitsgruppen an. Das Buch ist in mehrstündigen, mehrsemestrigen oder vertiefenden Veranstaltungen, in Tutorien, Lektürekursen oder für Hausarbeiten zu nutzen. Dann auch für Prüfungen.

Wie dies geschieht, bleibt den Interessen der Lernenden und der Fantasie der Lehrenden überlassen. Man muss nicht mit den Sprachtheorien aus Kapitel A oder mit Humboldt anfangen. Nach einem Einstieg in ein Problemfeld, einer Aufarbeitung eigener Spracherfahrungen oder einer ersten Gesprächsanalyse können Theorieblöcke eingeschoben werden. Man kann mit der Formseite (Laut, Wort, Satz) beginnen, mit dem strukturalistischen Zugang, der für viele Theorien grundlegend war (de Saussure, Martinet,Trubetzkoy, Hockett, Tesnière, Bierwisch), aber auch mit den funktionalen Angängen in B und C oder ganz anders. Auf jeden Fall sollten die Sprachdaten mit Aufgabencharakter (in C,E,H) bearbeitet werden.

In Einführungskursen - ideal sind vier Stunden Umfang - können einige der grundlegenden Texte gemeinsam erarbeitet werden. Es hat sich bewährt, dass alle den Text lesen und eine studentische Kleingruppe ihn kurz vorstellt (etwa 10 Minuten). Gruppe und Dozent(in) treffen sich zu einem Vorbereitungsgespräch, in dem Fragen zum Text, seine zentralen Gedanken und die Form einer anregenden Präsentation (Aufbau, Medien, Impulse) diskutiert werden.
Durchgängige Leitfragen sind: Was ist Sprache? Welches Verständnis von Sprache/Grammatik zeigt der Text - im Kontrast zu anderen Texten? Was wissen wir über Sprache? Aus welchen Quellen speist sich dies Wissen? Wo kann Sprache zum Problem werden? Die Textpräsentation ist eingebaut in allgemeine Überblicke (Dozent(in)) und gemeinsame Arbeit an Sprachdaten. Wichtig sind Übungen an authentischem Material zur Phonem-, Morphem- und Satzanalyse und zur Funktionalität sprachlicher Mittel (Typ: Was leistet hier die Partikel doch? Welches Wissen nimmt die Äußerung x in Anspruch?). Von den Studierenden können eigene Aufnahmen (Wegauskunft, Talkshow, Small Talk u.a.) angefertigt und unter spezifischen Aspekten ausgewertet werden. Interessengeleitet sind Erweiterungen möglich (z.B. auf der Grundlage des Textes von Heeschen zur Papua-Sprache Yale).
Ideal ist ein Tutorium zur Nacharbeit und Vertiefung.
Ein solcher Kurs bietet den unschätzbaren Vorteil, an eigenständiges Lesen und Erarbeiten von Fachtexten wie an eine sachgerechte mündliche Präsentation heranzuführen. Die Konfrontation von Texten kann argumentative Auseinandersetzung und kritisches Urteil befördern.

Andere in der Praxis erprobte Formen sind ein vertiefender Lektürekurs mit einer thematischen Gruppe von Texten, etwa zur Sprachtheorie, zur Semantik, zur Pragmatik, zu Grammatikmodellen oder eine Vorlesung zur Geschichte der neueren Sprachwissenschaft, die den Reader als Textvorlage nimmt. Schließlich kann der Band natürlich auch als Ergänzung zu einem Einführungsbuch genutzt werden. Leider gibt es wenig gute, empfehlen kann ich- auch als Begleitlektüre zum Reader:
G. Graefen/M. Liedke (2008) Germanistische Sprachwissenschaft. Tübingen: Francke (UTB 8381)

Möglich ist schließlich auch ein Selbststudium - etwa im Rahmen einer Prüfungsvorbereitung, die weitere Literatur einbezieht. Dann kann ein sprachwissenschaftliches Wörterbuch nützlich sein wie das "Lexikon der Sprachwissenschaft", hg. von Hadumod Bußmann (4. Aufl. 2008, Kröner Verlag) oder das "Metzler Lexikon Sprache", hg. von Helmut Glück (5. Auflage 2016).