▶ Heimat
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Heimat ist ein schweres Wort, das in den letzten zweihundert Jahren im deutschen eine besondere emotionale Ladung bekommen hat und kaum übersetzbar ist. Bezeichnet wird das Verhältnis eines Menschen oder einer Gruppe von Menschen zu einem Lebensort (Dorf, Region, Stadt, Land...) und seinen Bewohnern, der den Menschen bzw. die Gruppe in ihrer Identität geprägt hat, die Erfahrung sozialer und sprachlicher Stabilität und die Ferne von Ausgrenzung vermittelt. Das Wort ist etwa seit dem 11. Jahrhundert belegt und bedeutet offenbar etwas wie 'Stammsitz' (nach Kluge 2002:403). In der Fremde kann man sich nach der Heimat sehnen, seit dem 16. Jahrhundert (nach Kluge 2002:403) findet sich da Wort Heimweh, zu dem der Ausdruck Nostalgie als Übersetzung gebildet wurde. Heimat als Gegenbild zur Industrialisierung und Modernisierung seit dem 19. Jahrhundert eine Emotionalisierung bekommen, die sie zu etwas fest Gegebenem gemacht hat, dem der Tradition und Lokalkultur gefährdende Wandel der Gesellschaft gegenüberstand. Daher Heimatliteratur (im Gegensatz zur Großstadtliteratur), das Heimatmuseum, in dem das Lokale als Bedeutsames ausgestellt wird. Das Heimliche ist ursprünglich das, was zum Haus gehört und vertraut ist; der Einheimische ist (seit Luther), der, der nicht fremd ist. Paul 1992:397, 205). Den Heimatlosen fehlt diese Geborgenheit, sie haben durch Schuld oder Schicksal, Auswanderung, Vertreibung, Ausbruch die Heimatbindung verloren. Heimatlosigkeit zeigt sich auch in der Verwendung von Ausdrücken wie Wahlheimat, die Heimat zur Disposition des Einzelnen stellen. Wenn die Welt nicht mehr Heimat sein kann, wenn die Umgebung fremd ist (etwa in der Situation des Exils), wird die Heimat zur Utopie (Literatur, Philosophie), zum Objekt der vorerst unerfüllbaren Sehnsucht. Ein solches der Heimatverklärung entgegengesetztes Bild hat Ernst Bloch in seinen Schriften ("Vom Geist der Utopie", "Das Prinzip Hoffnung") entwickelt:
Eine kritische Auseiandersetzung liefert auch die Filmtrilogie "Heimat 1-3" von Edgar Reitz, die am Beispiel von Generationengeschichte gesellschaftliche Umbrüche und Verwerfungen zeigt und Kontinuität, Erfahrungsfundiertheit wie Offenheit und Anschlussfähigkeit der Konstellationen in der Perspektive eines kritschen Optimismus verdeutlicht. Literaturhinweise:
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Aus einem Interview mit einer jungen Frau (Erstsprache Türkisch, Zweitsprache
Deutsch), das Anfag der 80er Jahre geführt wurde; der Interviewer ist
mit M, die Interviewte mit T gekennzeichnet, die Schreibweise markiert
die zeitliche Achse, so dass Paralleläußerungen sichtbar werden): Interview Ansichtssachen 1983 (Transkr. Hoffmann/Wirtz 1996)
Aus einer stern-Forsa Umfrage (9/2008): - Der Frage "Leben Türken gern in Deutschland?" stimmen - Der Frage "Sollten sich Türken als Teil von Deutschland führen?" stimmen 76% der "Deutschen" und 81% der "Türken" zu.
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